Klimaneutral schon 2045 statt 2050 – ist das nicht super?

Nein, sagen die Experten und auch die Klimaaktivisten!

Sind die denn nie zufrieden? Jetzt verkürzt die Bundesregierung schon die Zeit bis zur Klimaneutralität in Deutschland und trotzdem wird behauptet, das sei zu wenig.

Was wollen die Klimaschützer eigentlich? Weshalb soll die Erwärmung der Atmosphäre unbedingt unter 2 Grad möglichst unter 1,5 Grad bleiben? Welche Bedeutung hat das CO2-Restbudget, welches Deutschland noch zusteht? Wie kann unser Verfassungsgericht der Bundesregierung vorwerfen, ihr Klimaschutzgesetz von 2019 sei verfassungswidrig, obgleich in unserer Verfassung nichts über den Klimaschutz steht?

Wir wollen versuchen diese Fragen zu klären. Leser allerdings, die mit dieser Materie vertraut sind, können diesen Artikel getrost überschlagen.

Es mag seltsam klingen, aber die Jahreszahl bis zur Klimaneutralität ist nicht die entscheidende Zahl.

Im Abkommen von Paris 2015 hat Deutschland sich vertraglich verpflichtet, seine CO2-Emissionen so zu senken, dass der weltweite Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad, möglichst unter 1,5 Grad bleibt.

Weshalb gerade 2 Grad und nicht 2,8 oder 3,5 Grad

Wir fahren im Urlaub doch gerne in Länder mit etwas höheren Temperaturen. Weshalb sollen mehr als 2 Grad uns Menschen furchtbar schaden?

Bei Anhebungen der globalen Temperaturen von mehr als 2 Grad erreichen wir klimatische Kipppunkte. Das bekannteste Beispiel ist das Auftauen der Permafrostböden. Diese werden in großen Mengen CO2 und Methan freisetzen. Der Prozess der Aufheizung der Erde verstärkt sich dann von selbst, auch wenn wir Menschen kein CO2 mehr in die Atmosphäre einleiten. Die Erde wird in eine erdgeschichtlich neue Periode, in eine Heißzeit übergehen. Die für Menschen bewohnbaren Räume auf der Erde werden sehr klein werden.

CO2 – Gehalt und Temperatur der Atmosphäre

Die Temperatur der Atmosphäre hängt ganz wesentlich von der Kohlenstoffdioxidkonzentration ab. Leiten wir mehr als 2900 Gigatonnen CO2 ein, überschreiten wir die 2 Grad Temperaturerhöhung.

Andere Treibhausgase werden dabei in CO2-Äquivalente umgerechnet. Bis 2021 sind aber bereits 2300 Gigatonnen eingeleitet worden. Den „Rest“, der noch eingeleitet werden „dürfte“, ohne die Zielmarke zu überschreiten, bezeichnet man als CO2-Budget oder CO2-Restbudget.
Der CO2-Gehalt der Atmosphäre wird weiter steigen, bis keinerlei Einleitungen mehr stattfinden. Dann bleibt der CO2-Gehalt wieder konstant, während die Temperatur der Atmosphäre noch etliche Jahrzehnte weiter steigt. Der Temperaturanstieg hat einen Verzögerungseffekt.

Die maximale Temperatur, die wir erreichen, hängt von der gesamten eingeleiteten Menge der Treibhausgase ab, nicht vom Zeitpunkt der Klimaneutralität. Aus diesem Grund ist das CO2-Restbudget entscheidend!

Das CO2-Restbudget für Deutschland

Über die Verteilung des CO2-Restbudgets auf die Länder wurde und wird gestritten. Als Hauptmaßstab bei der zugewiesenen Restmenge zählte natürlich die Einwohnerzahl eines Landes.

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Grundsätzlich wird also jedem Erdenbürger die gleiche CO2-Einleitungsmenge zugestanden. Darüber hinaus werden auch andere Faktoren berücksichtigt. Das CO2-Restbudget für Deutschland beträgt ab 2020 (nach Berechnung durch den SRU, Sachverständigenrat für Umweltfragen)  6,7 Gigatonnen oder 6.700 Megatonnen CO2.

Die Verteilung des Restbudgets auf die Zeit bis 2050

Das verfassungswidrige Bundes-Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vom Dezember 2019 sah vor, nahezu das gesamte CO2-Restbudget Deutschlands bis zum Jahr 2030 in die Atmosphäre einzuleiten. Die Emissionen hätten 2030 noch 543 Mio t betragen. Die Folge wäre, dass die CO2-Einleitung in nur 2 Jahren von 2030 bis 2032 auf Null gebracht werden müsste. Diese Verschiebung der Problemlösung auf die Zeit nach 2030 hat das Verfassungsgericht für eindeutig verfassungswidrig erklärt. Die Verteilung des Restbudgets ist laut Verfassungsgericht also zwischen den Generationen gerechter zu gestalten – genauere Vorgaben macht das Gericht dazu nicht. Zwei mögliche Varianten sollen vorgestellt werden.

Lineare Verteilung des CO2-Restbudgets

Die CO2-Emissionen werden jedes Jahr um einen bestimmten festen Betrag gesenkt (ca. 41 Mio t CO2-Absenkung pro Jahr). Dieser Weg würde zwangsläufig bereits 2038 zur Klimaneutralität führen. Da die Fläche unter der Kurve dem CO2-Restbudget entspricht, kann die Absenkung auf dem linearen Weg nicht bis 2050 gestreckt werden, weil dann das Restbudget überschritten würde. Es bleibt die Frage, ob nicht gerade der letzte Teil der Absenkung der CO2-Emissionen besonders schwierig wird. Eine Streckung bis zum Jahre 2050 oder 2045 ließe sich auf dem folgenden Weg erreichen.

Prozentuale Absenkung des CO2-Restbudgets

Die CO2-Emissionen werden jedes Jahr um einen bestimmten Prozentanteil der Vorjahresemissionen abgesenkt, bis sie sich 2050 der Null annähern. Dieser Weg ließe der kommenden Generation etwas mehr Spielraum, wäre dafür aber in der Zeit bis 2030 deutlich ambitionierter als die lineare Absenkung.

Andere Wege

Viele andere Ausstiegsvarianten mit unterschiedlichen Zeitpunkten der Klimaneutralität sind denkbar, solange das für Deutschland zulässige CO2-Restbudget nicht überschritten wird. Im jeweiligen Diagramm einer Variante darf die Fläche unter der Kurve nicht größer sein als in den gezeigten Diagrammen.

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Bundesverfassungsgericht kippt das Bundes-Klimaschutzgesetz von 2019

Das Bundesverfassungsgericht hält die im Pariser Abkommen vertraglich festgelegten 1,5 bis maximal 2 Grad Temperatursteigerung für verfassungsrechtlich bindend. Deshalb gibt das Gericht den Klägern recht und fordert in seinem Urteil, dass die Klimapolitik an dem für Deutschland festgelegten CO2-Restbudget ausgerichtet wird. Erst unter diesem Zwang hat die Bundesregierung im Juni diesen Jahres ein neues Gesetz vorgelegt, welches allerdings mit ca. 8 Gigatonnen CO2-Emissionen die Vorgaben immer noch überschreiten wird.

Unklar bleibt in dem neuen Gesetz, wie die Emissionssenkungen erreicht werden sollen. Die von der Bundesregierung beschlossene CO2-Steuer in Höhe von 25 Euro pro t CO2-Emission wird nicht ausreichen.

Wege zur Senkung der CO2-Emissionen

Im Wahlprogramm der Grünen ist eine Steigerung der CO2-Steuer auf 60 Euro pro Tonne bis zum Jahr 2023 vorgesehen. Das eingenommene Geld wird an die Bürger zurückgegeben, wovon einkommensschwache Haushalte profitieren, weil sie in der Regel mehr zurück erhalten als sie an CO2-Steuer bezahlt haben. Allerdings kann auch bei dieser Strategie ein „Nachsteuern“ notwendig werden, wenn sich zeigt, dass das CO2-Restbudget sonst überschritten wird.

Eine sichere Wirkung ließe sich mit einem Zertifikatehandel auf alle Treibhausgas-Emissionen erreichen. Damit ließe sich Jahr für Jahr die tatsächliche maximale Emission festlegen. Außerdem hätte dieser Weg den Vorteil, dass zunächst genau jene Emissionen gestoppt würden, die sich am preisgünstigsten vermeiden lassen. Innovationen zur preisgünstigen CO2-Vermeidung wären zu erwarten.  Preissteigernd wird sich auch dieser Weg für alle Prozesse auswirken, bei denen CO2 emittiert wird.

Text+Grafik: Claus Lange

Mitglied der Fraktion